Tue nichts ohne ein klares Ziel
Du solltest nichts tun, wenn es nicht einen klaren Zweck hat. Stell dir zwei parallele Welten vor, in denen alles gleich ist, außer der Sache, die du zu tun gedenkst: Wie unterschiedlich wären diese Welten? Ist der Unterschied die Mühe wert?
Wenn du kein klares Ziel vor Augen hast und etwas nur tust, weil alle anderen es auch tun oder weil alle sagen, dass es wichtig ist, es zu tun, dann
- hat es in deinem Fall vielleicht keinen wirklichen Nutzen und deshalb hast du nichts davon, oder
- es kann in deinem Fall trotzdem einen potenziellen Nutzen haben, aber weil du den Zweck nicht im Auge hast, wird deine Art, es zu tun, nicht dazu beitragen, den Nutzen zu realisieren.
Beispiel: Portfolios und Programme
Wenn du an der Auswahl und Initiierung von Projekten beteiligt bist, solltest du darauf achten, dich auf den Nutzen und die zu lösenden Probleme zu konzentrieren und nicht auf das Produkt, mit dem diese Dinge realisiert werden sollen.
Ein klassisches Beispiel ist der Hersteller von Aufzügen, bei dem es immer wieder Beschwerden über die Geschwindigkeit seiner Aufzüge gab, sodass er mehrere Projekte zur Erhöhung der Geschwindigkeit durchführte - jedoch ohne Erfolg. Das ging so lange, bis man beschloss, sich auf das Problem (die Langeweile oder das Unbehagen der Menschen) zu konzentrieren, anstatt auf die “natürliche” Lösung (schnellere Aufzüge). Das Ergebnis war, dass man die Aufzüge mit Spiegeln ausstattete, was das Problem einfach und kostengünstig löste.
Denke daran, dass es beim Projektmanagement hauptsächlich darum geht, die Dinge richtigzumachen, während es beim Portfoliomanagement darum geht, die richtigen Dinge zu tun. Es spielt keine Rolle, wie gut du deine Projekte durchführst. Sie werden nicht gut laufen, wenn du die falschen Projekte durchführst. Es geht primär darum, ein Ziel zu haben.
Beispiel: Projekt als Ganzes
Die Flexibilität des Produkts ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Bei einigen IT-Entwicklungsprojekten ist das Produkt völlig flexibel und seine endgültige Form hängt von den Rückmeldungen ab, die durch die Inkremente des Produkts während des Projekts erzeugt werden (was einen adaptiven, agilen Ansatz erfordert). In der Praxis handelt es sich um eine Kombination aus Portfolio-, Programm- und Projektebene, bei der dem Gesamtziel höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
Es ist eine gute Idee, den Zweck zu dokumentieren und zugänglich zu machen. Das ist einer der Zwecke der “Produktvision”, wie sie in einigen Scrum-Projekten verwendet wird. Die Beachtung des Geschäftswerts in agilen Projekten ist eine Möglichkeit, die Ausrichtung auf den Zweck sicherzustellen.
Bei anderen Projekttypen, bei denen das Produkt relativ feststeht und es andere Mechanismen gibt, um sicherzustellen, dass das ermittelte Produkt den Zweck erfüllt, können die Mitglieder des Projektteams einen großen Teil ihres Fokus vom Zweck auf das Produkt verlagern (daher das Prinzip “Fokus auf Produkte” in PRINCE2®). Allerdings ist ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit für den Zweck immer noch erforderlich, um sicherzustellen, dass das, was gebaut wird, den Zweck erfüllt. Die Messung der Zweckerfüllung kann durch den Vergleich des prognostizierten Nutzens mit dem erwarteten Nutzen erfolgen (daher das Prinzip der “Fortgesetzten geschäftlichen Rechtfertigung” und das Thema “Business Case” in PRINCE2®).
Wenn ein Projekt für einen externen Kunden durchgeführt wird, hat der Kunde seinen eigenen Zweck für das Projekt, und dein Unternehmen hat einen anderen Zweck. Um wirklich erfolgreich zu sein, solltest du beide verstehen und umsetzen.
Beispiel: Projektüberwachung
Die Konzentration auf den eigentlichen Zweck ist notwendig, aber für viele der täglichen Anwendungen ist er möglicherweise zu abstrakt. Deshalb ist eine Hierarchie von Zielen erforderlich, um sie operationabel zu machen. Zunächst werden die Rechtfertigung und der Nutzen des Projekts auf der Grundlage des Hauptzwecks definiert, und dann werden explizite und implizite Ziele für Projektvariablen (z. B. Zeit, Kosten und Qualität) festgelegt, um die Rechtfertigung zu erfüllen, die wiederum den Hauptzweck erfüllt. Dies sind Ziele auf niedrigerer Ebene, die für viele unserer täglichen Aufgaben nützlich sind.
Wenn es um die Überwachung geht, wird die Überwachung des Projekts auf der untersten Ebene der Variablen durchgeführt, da es häufig nicht möglich ist, den Hauptzweck selbst zu verfolgen. In diesem Fall solltest du dir dennoch die Ziele vor Augen halten: Was ist der Zweck der Überwachung?
Eine normale und akzeptable Antwort besteht darin, festzustellen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und wenn nicht, eine bestimmte Reaktion auszulösen, die uns wieder auf den richtigen Weg bringt, oder die Ziele anzupassen und zu sehen, ob sie den endgültigen Zweck noch erfüllen kann. Unsere Messungen sollten daher in der Lage sein, bei diesem einfachen Zweck zu helfen, und die geeignesten Messungen sind Prognosen für die Variablen bei der Fertigstellung; z. B. wann werden wir das Projekt abschließen können? Wie viel Geld brauchen wir, um das Projekt abzuschließen?
Alle anderen Messungen, wie die bisherigen Plan- und Ist-Werte, sind nur Zwischenwerte, die du für die Berechnung der Prognosen benötigst und nicht die endgültigen Werte, die du für Managementzwecke verwendest.
Beispiel: Dokumente
Unabhängig davon, welchen Entwicklungsansatz du im Projekt verwendest, ist eine Planung immer notwendig. Die wichtige Frage dabei ist der Detaillierungsgrad jedes Plans. Wenn der Plan nicht detailliert genug ist, kann er nicht genug beitragen und die Durchführung des Projekts wird eher auf Ad-hoc-Entscheidungen als auf integrierten, ganzheitlichen Entscheidungen beruhen. Andererseits versuchen viele Leute, vorsichtig zu sein und fügen ihrem Plan zu viele Details hinzu, wodurch er schwer zu erstellen und zu pflegen ist und zu starr für die Unwägbarkeiten des Projekts. Infolgedessen wird der Plan unrealistisch und unbrauchbar.
Der beste Weg, um über den Detaillierungsgrad zu entscheiden, besteht darin, einen Zweck für jedes Element des Plans im Fokus zu haben. Wenn du z. B. die Aufnahme von Ressourcen in den Plan in Betracht ziehst, sollte dies einem Zweck dienen: Wie wirst du die Ressourcen verwenden? Wie wird es dem Projekt helfen? Wie hoch ist der Aufwand und ist es das wert?
Manchmal geht es um die Entscheidung, ob du ein bestimmtes Element in deinen Plänen haben und manchmal um die Art und Weise, wie du etwas planen oder vorbereiten willst. Egal ob es sich um einen Business Case, eine Projektcharta oder einen Bericht handelt: Du solltest dich immer fragen, warum du dieses Dokument erstellst und wie es dem Projekt helfen kann.
Die Suche nach einer Vorlage ist das Gegenteil davon, etwas auf der Grundlage eines Zwecks zu tun.
Beispiel: Statusbericht
Bei vielen Projekten ist es üblich, dass die Statusberichte sehr lang sind. Auf der Grundlage dieses NUP sollten wir uns fragen, was der Zweck des Berichts ist und wie wir diesen Zweck erreichen können - und zwar unabhängig davon, was die meisten anderen Leute tun.
Dies kann in vielen Fällen dazu führen, dass wir sehr einfache einseitige Berichte erstellen, die von den Beteiligten wirklich gelesen und verstanden werden, anstatt lange Berichte. Das ist die Aufmerksamkeit für den Zweck, den wir wollen.
Wenn du jedoch einseitige Berichte erstellst, könnten einige Leute dagegen Einspruch erheben und denken, dass du kein “richtiges” Überwachungssystem eingerichtet hast. In der Praxis bedeutet dies, dass du einen zweiten Zweck verfolgst (neben dem ersten, nämlich den Stakeholdern zu helfen, den Projektstatus zu verstehen) und um diesen zu erfüllen, kannst du einfach eine zweite Art von Bericht erstellen, der sehr lang ist. Allerdings darfst du diesen nicht mit dem ersten Bericht vermischen, da diese beiden Zwecke nicht identisch sind.
Beispiel: Business Case und Projektcharta
Die Erstellung von Dokumenten wie einem Business Case und eine Projektcharta ist für die meisten Menschen eine langweilige, fruchtlose und bürokratische Notwendigkeit, obwohl diese Dokumente alle einen gültigen Zweck haben, der für die meisten Projekte gilt. Wenn du versuchst, eine Vorlage zu finden und diese ausfüllst, ist die Arbeit umsonst. Stattdessen könntest du den wirklichen Zweck dieser Dokumente prüfen und herausfinden, ob und wie sie für dein Projekt hilfreich sein können, und dann das Dokument so erstellen, wie du es möchtest. Das alles nur um diesen Zweck zu erfüllen: Es ist das richtige und ein wichtiges Dokument.
Während du darüber nachdenkst, wie du die Dokumente so vorbereiten kannst, dass sie ihren Zweck erfüllen, denkst du vielleicht nicht an jedes Szenario und übersiehst etwas. Um das zu vermeiden, kannst du in Ressourcen wie PRINCE2®, PMBOK® Guide, P3.express und DSDM® nachsehen, was dort vorgeschlagen wird und diese Vorschläge dann anhand der Zwecke bewerten.
Beispiel: Nach dem Projekt
Das Projekt hat zwar einen bestimmten Zweck, und wir können diesen Zweck während des gesamten Projekts berücksichtigen, aber die Verwirklichung wird hauptsächlich auf der Grundlage der während des Projekts gemachten Prognosen bewertet. Nach Abschluss des Projekts sollten wir dies jedoch nicht vergessen. Es ist wichtig, die Verwirklichung der Ziele nach Abschluss des Projekts zu überprüfen, damit
- wir sehen können, wie die Hauptziele erreicht werden, und daraus für zukünftige Projekte lernen können, und
- manchmal werden die Ziele nur erreicht, wenn wir nach Abschluss des Projekts zusätzliche Aufgaben durchführen. Um die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Aufgaben zu verstehen, ist eine Überwachung erforderlich.
Die Überwachung nach Abschluss des Projekts ist ein notwendiger Schritt, um zielorientiert zu arbeiten. Sie liegt hauptsächlich in der Verantwortung von Programm- und Portfoliomanagementsystemen. Da die meisten Unternehmen nicht über solche Managementebenen verfügen, wird dieser Schritt meist vernachlässigt. Daher fügen Methoden wie P3.express und DSDM® diesen Schritt ihren Projektmanagement-Methoden hinzu.
Beispiel: Vereinfachung
Die Welt ist komplex und chaotisch, aber unsere Modelle sind abstrakte Annäherungen, die Teile der Welt widerspiegeln und daher können sie einfach sein. Andererseits funktionieren einfache Systeme in der Regel besser, weil wir uns auf die Hauptidee konzentrieren können.
Viele von uns versuchen, bessere Ergebnisse zu erzielen, indem sie ihre Systeme komplexer machen. Die Hoffnung dahinter ist, dass sie der Komplexität der Welt entsprechen werden, auch wenn dies in der Praxis die Arbeit mit dem System erschwert und uns in der Regel daran hindert, den Zweck zu erfüllen.
Beispiel: Maßschneidern
Eine Software für das Streaming von Musik hat andere Voraussetzungen wie eine, die für die Ausrüstung eines Krankenhauses oder eines Flugzeugs verwendet wird (wo das Leben von Menschen davon abhängt) oder als eine Software, die in einem Satelliten eingesetzt wird (wo sie viele Jahre lang ohne Absturz funktionieren soll) und sie alle unterscheiden sich vom Bau einer Sommervilla, einer Feuerwache und einer Prozessanlage.
Wenn du den Zweck im Auge hast, wirst du besser verstehen, wie du die Systeme und Artefakte für verschiedene Projekte anpassen kannst.
Übersetzt von Michael Taube